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2. Oktober 2014welcome to norway!
2. August 2015Wir sind klein, schleimig, schutzlos und wir haben nichts, was wir vermissen, außer Nähe und dem warmen Saft, wenn dieses Loch im Bauch immer größer und schmerzhaft wird. Mama nennt es Hunger, und wenn sie uns den Hunger wegnimmt und uns warm wird, sind wir glücklich.
Doch schon bald sehen wir mehr von der Welt und all die bunten Sachen, die es gibt, viele davon können wir uns nehmen. Viel ist gut und wenig ist schlecht. Wir beginnen, Dinge zu vermissen, die nicht da sind, Dinge, die wir bei anderen gesehen haben. Deshalb fangen wir an, uns zu vergleichen und darauf zu achten, was die anderen tun und was sie haben.
Lesen, schreiben, Bruchrechnen, chemische Formeln auswendig lernen, … wir lernen sehr viel. Manches ist interessant, manches finden wir langweilig, einiges fällt uns sehr schwer und weit nicht alles können wir begreifen, doch wir versuchen trotzdem, zu den Besten zu gehören, weil das Leben dann angenehmer ist.
Leistung ist gut, Schwäche ist schlecht. Begabt sein ist wichtiger als nett sein, beliebt sein resultiert aus begabt sein und nett sein kann sich erlauben wer beliebt ist.
Wir hören aufmerksam zu. Wir glauben, was wir erzählt bekommen, bilden daraus eine Meinung und aus dieser Meinung entstehen unsere Gedanken und daraus folgend unser Tun.
Wir werden älter und ein „Ich weiß es nicht“ kommt uns immer schwerer über die Lippen. Wir glauben fest an unser sorgfältig aufgebautes Wissen, argumentieren mit Fakten und Statistiken, Zahlen und Berichten, die wir gelesen oder von denen wir gehört haben. Unsere Meinung ist uns wichtig und jeder, der sie nicht nur nicht vertritt und eine gegenteilige Ansicht kundtut, hat keine Ahnung. Manchmal passiert es, dass das, was wir dann eines Tages in der Welt sehen und erleben, ganz und gar nicht so ist, wie wir es gelernt und gehört haben. Dann wird uns klar, wie oft wir nachplappern und fremdes Denken übernehmen und wir kommen uns blöd vor.
Wir essen lustlos unsere Teller leer, denn wir hören schon sehr früh von Kindern, die nicht so viel haben wie wir und wir nennen sie „arm“, was wir automatisch mit „bedauernswert “ gleichsetzen. Doch als wir eines Tages auf Reisen gehen und diesen Menschen gegenüber stehen merken wir, dass sie nicht arm, sondern besitzlos sind und nicht sie, sondern vielmehr wir die Bedauernswerten sind, da wir trotz unseres Reichtums nicht lernen, glücklich zu sein.
Dann schämen wir uns ein bisschen.
Wir kaufen täglich unser kurzes Glücklichsein, weil wir es mit schönen Sachen verbinden. Wir streben nach Besitz und Anerkennung, bauen uns große Häuser – denn irgendwo muss man ja zur Ruhe kommen, wenn man so viel arbeitet. Wir fahren in den Urlaub – denn irgendwann muss man seine Batterien wieder aufladen. Work-Life-Balance und so. Wir kaufen uns Autos, iPhones, tablets, Pulsmesser, Zeitschriften, Schuhe, bis wir alle paar Jahre ein Gefühl der Atemnot bekommen, uns Angst und bange wird, wir die Sinnlosigkeit erahnen und Hilflosigkeit empfinden. Und wir spüren, dass wir nie glücklicher waren als auf den Reisen, auf denen wir nicht mehr als einen Rucksack am Rücken getragen und alles Unnötige zurückgelassen haben.
So beginnen wir, unseren Wohnraum wieder radikal ausmisten, uns von all dem angehäuften Ballast zu befreien. Wir können spüren, dass da noch mehr sein muss, eigentlich wissen wir es schon lange mit Sicherheit, doch wir haben Angst! Angst, weiterzudenken, Angst vor dem, was wir ins uns hören könnten und bevor diese Gefühle zu mächtig werden, checken wir unsere E-Mails, scrollen durch die facebook-Neuigkeiten, gehen eine rauchen. Aufblitzende Visionen in unserem Kopf beschwichtigen wir, indem wir sie Hirngespinste nennen und uns einreden, dass es sowieso nie funktionieren könnte.
Wenn wir Menschen begegnen, die unsere Hirngespinste tatsächlich leben, beäugen wir sie mit einer Mischung aus Bewunderung, Anerkennung und Neid. Sie erscheinen uns wie die Diebe unserer Träume, denn genau das waren doch unsere Wünsche! Es tut weh und wir bemühen uns, wegzusehen, uns abzulenken, zu verdrängen, weiterzumachen.
Und so existieren wir. Von einem Tag zum nächsten. Wir warten auf den Feierabend, warten auf das Wochenende, den nächsten Urlaub, träumen von einem besseren Job, googeln nach einer größeren Wohnung, nach einer neuen Handtasche, nach Trainingsprogrammen, denken über einen Whirlpool nach, eine Diät, „Denn wenn einmal, dann …“.
Wir rennen der Zukunft hinterher, ohne zu begreifen dass die Zukunft doch gerade passiert, just in diesem Augenblick erst von der Zukunft zum Jetzt wird! Und so verpassen wir uns in unserem Leben Tag für Tag für Tag für Tag für Tag.
Denn wir haben doch noch so viel Zeit! Aber jetzt geht es einfach gerade nicht! „Aber eines Tages, wenn ich einmal … und wenn das andere einmal nicht mehr ist, oh ja, dann bestimmt, doch solange die das nicht ändern, kann ich nicht …“.
Wir wissen, dass wir sterben werden, mehr noch – wir wissen, dass wir heute sterben können. Und doch tun wir jeden Tag so, als gelte das zwar für alle anderen, aber nicht für uns.
Wir zitieren und posten Lebensweisheiten: „Träume nicht dein Leben, lebe deine Träume“, anstatt endlich hinauszugehen, zu kündigen, zu reisen, auszubrechen, endlich aufzuwachen.
Und plötzlich, es ist uns unerklärlich, wann dieser Tag war, aber er war da, sind wir älter geworden als die Menschen, die wir beneiden, weil sie mutiger waren als wir. Chancen, die wir nicht wahrgenommen haben sind von „Irgendwann, wenn einmal… dann werde ich..“ zu „Hätte ich doch damals..“ geworden, wir beginnen zu begreifen, wie viel Zeit wir vergeudet und wie vielen Dingen wir unser Leben gewidmet haben,- Dingen, die letzten Endes so unwichtig waren. Es dämmert uns, was wir alles nicht erlebt haben, wie unglaublich viel wir uns selbst schuldig geblieben sind.
Wir werden wieder zu kleinen, schutzlosen Wesen. Wir sehnen uns nach Wärme und glauben nicht an Besitz, wir glauben nur noch an Zeit.
„Hast du den schönsten Moment deines Lebens schon erlebt?“
1 Comment
Das ist sehr schön geschrieben, bei gewissen worten oder texten könnte man glauben das man gerade das buch von eckart tolle liest, ich denke es gibt mehr als nur einen schönen moment im leben, jeder tag sollte der schönste moment sein wenn man minimalistisch ist.