Wolllust
24. November 2016Phrasendrescherei
4. Januar 2017Heuer freue ich mich wahnsinnig auf den 24. Dezember. Es wird nämlich mein erstes konsumbefreites Weihnachtfest.
Das klingt nach moralischem Zeigefinger, öko-öd und unsexy?
Dann anders: Ich mach den ganzen Scheiß nicht mehr mit!
Und wow, es nur auszusprechen fühlt sich schon richtig gut an.
„Wie wär’s: Heuer schenken wir uns einmal nichts zu Weihnachten, ok?“
Was für ein bekannter Satz, aber für die meisten von uns trotzdem ein unbekanntes Szenario.
Es ist doch so: Der reine Gedanke daran, nichts schenken zu müssen ist ein ziemlich geiler, weil total befreiend! Aber was, wenn sich der andere dann doch nicht daran hält und mit irgendeiner „Kleinigkeit“ unterm Christbaum hervorkriecht? Dann steht man nicht nur da wie der letzte Depp, sondern auch noch wie ein Knauserer.
Und so läuft es nach der Vereinbarung, sich heuer wirklich nichts zu schenken, wieder darauf hinaus, dass man sich gegenseitig ein Packerl in die Hand drückt und „Na geh‘, aber wir haben doch ausgemacht …“ heuchelt. Die Inhalte sind mehr oder weniger austauschbar, wir sind schließlich keine fünf Jahre mehr und können uns die Dinge, die wir gerne hätten, bestens selbst kaufen.
Ein Geschenk ist nur dann zauberhaft, wenn es uns entspricht. Wenn der, der beschenkt, uns entweder richtig eingeschätzt oder gut zugehört hat. Aber bitte nicht zu vorherbar schenken! Am besten so, dass es einen Hauch besser ist, als wir es uns erhofft haben, aber auch auf keinen Fall so groß und überwältigend, dass es unsere Überraschung für den Anderen in den Schatten stellt!
So ein Weihnachtsgeschenk muss größeren Druck verspüren als ein Philosophie-Student im 8. Semester.
Zum Glück gibt es genügend Inspirationen und Vorschläge.
„Originelle Geschenkideen“, „Überraschungen mit Anti-Langes-Gesicht-Garantie“, eine Website bietet mir sogar „Geschenke für Leute, die schon alles haben“ an.
Ich starre auf das leuchtende Einhorn, das mich mit seelenlosen Knopfaugen angafft und für €39,90 bei mir einziehen würde.
Sorry, buddy. Aber diesmal habe ich dem Vorschlag meiner Freunde zugestimmt. Wir feiern Weihnachten mit viel gutem Essen und noch mehr gutem Wein, aber ohne gut gemeinte Shop-Geschenke.
Zugegeben, ich hab anfangs gezögert. Denn eigentlich schenke ich das Jahr über gerne!
Gemeinsame Zeit in Form eines Abendessens oder einer guten Flasche Wein, einen neuen Backpack für die nächste Reise, nachdem der alte schon fast kaputt ist, und übrigens, wie wär’s heuer mit Nordamerika?
Geschenkt in einem Moment, der sich gut und richtig anfühlt.
An Weihnachten stört mich das ‚Muss‘, es stört mich der sich jährlich wiederholende Wahn, noch schnell irgendeinen Kram zu besorgen, damit man auch wirklich für jeden irgendetwas hat, diese Hin- und Herschieberei von Geld.
Deshalb hab ich genickt. Und aufrichtige Erleichterung verspürt.
Heuer werde ich genau das Gegenteil von kaufen tun: Meine Bude ausmisten. Bücher, Schals, Pullover, Hauben, Taschen, Elektrogeräte, Küchenutensilien- alles, was ich länger als 12 Monate nicht in Händen gehalten, getragen oder gerne betrachtet habe, muss ausziehen.
Einem Lover würde es nicht anders gehen.
Als ich vor drei großen Kisten stehe, die voll mit Was-Wäre-Wenn-Gegenständen sind, fühle ich mich so, wie meine Wohnung nun aussieht: Aufgeräumt. Es ist wieder Platz für mich, Raum für Kreativität.
„So wie es in deinem Haus aussieht, so sieht es in deinem Kopf aus“, höre ich meine Oma sagen. Wie recht sie hatte! Und so werfe ich auch gleich ihre alten Stricknadeln, die ich nur aus Nostalgie-Gründen bis heute aufgehoben habe, in den Müll.
Sie können weder die Zeit anhalten noch Erinnerungen zurückbringen.
Ich räume noch meinen Desktop auf und bestelle alle Newsletter ab, die mich an die Weihnachts-Kollektion von X und die Limited Edition von Y erinnern und an den Sale, der in Wahrheit 365 Tage im Jahr stattfindet. Mein Posteingang wird leerer und ich ruhiger. Magic Cleaning.
Als ich auf den geordneten Schreibtisch blicke, bekomme ich Lust zu schreiben. Briefe. Mit Füllfeder. Gedanken und Worte für die coolen Menschen in meinem Leben zu Weihnachten. Plus eine Sache, die ich selbst hergestellt habe, nachdem ich mir in aller Ruhe überlegt habe, was zu wem wirklich passt.
Die Kisten spende ich an Menschen, die nicht das Luxusproblem haben, ausmisten und sich von materiellem Überfluss befreien zu müssen.
Heuer freue ich mich wirklich auf Weihnachten! Ohne Scheiß.
1 Comment
Das ist sehr schön und cool geschrieben, und es stimmt das schönste was man geben kann ist zeit, unbezahlbar